Die Feuersbrunst 1724
Dr.Martin Sellmann 1950
Es begann am 6. September mit einem Schornsteinbrand an einem
Sommernachmittage im Hause des Waldförsters Nicolaus Dähnert.
Der damals 86jährige alte Herr besaß ein Haus mit Scheune an der Marktstraße gegenüber der reformierten Kirche.
Das Unglück wollte es, daß das Feuer nicht auf den Schornstein beschränkt blieb. Im Nu griff es auf das Dach über, und nicht viel später stand das ganze Haus in hellen Flammen.
Der Brand erfaßte die Nachbarhäuser, und bald war die gesamte Straßenfront von der Ecke der Haupt- und Landstraße bis zur Volmebrücke eine Reihe lodernder Häuserfackeln.
Der Wind trieb den Funkenregen auf die gegenüberliegende südliche Straßenseite. Auch hier wurden die fast ausschließlich mit Stroh oder Schindeln gedeckten Fachwerkhäuser innerhalb kurzer Zeit ein Opfer des wütenden Elementes.
Der Brand fraß sich unaufhaltsam von Haus zu Haus weiter.
Sämtliche Gebäude am Markt um die reformierte und lutherische Kirche herum
einschließlich der Kapelle auf dem Kirchhof gingen in Flammen auf.
Das Feuer übersprang die Hauptstraße, und nacheinander sanken zu beiden Seiten dieser Straße von der Marktstraße an in südlicher Richtung mit wenigen
Ausnahmen faßt sämtliche Wohnhäuser mit ihren Nebengebäuden zu Schutt und Asche zusammen.
Der Tag, es war der 6 . September 1724, brachte eine der größten Katastrophen über den Flecken Hagen.
Zuletzt war es im Jahre 1699 gewesen, daß ein Großbrand den Ort heimgesucht hatte.
Wir wissen nicht, wieviel Gebäude damals eingeäschert worden sind.
Diesmal, im Jahre 1724, waren es 65 Wohnhäuser und 20 Scheunen.
Rund die Hälfte aller Hagener Baulichkeiten war in wenigen Stunden in rauchende und glimmende Trümmerstätten verwandelt worden.
Fast schien es wie ein Wunder, daß die beiden Kirchen in dem sie umbrandenden Flammenmeer stehen geblieben waren.
Ebenso hatte der Brand die königliche Mühle und das Akzise haus verschont.
Auch von Haus Hagen war mehr als die Hälfte der Gebäude übrig geblieben.
Sonst aber stand um den Markt herum und südlich davon kaum noch ein Haus . Das Feuer hatte gründliche Arbeit geleistet.
Wenn der Brand so weit und schnell hatte um sich greifen können, so lag dies vor allem daran, daß man Ziegeldächer in Hagen damals noch kaum kannte.
Ein Bericht aus dem Jahre 1722 gibt an, daß von 131 Hagener Häusern nur 6 mit Ziegeln, 8 mit Steinplatten, womit wohl Schiefer gemeint war, 82 aber mit, Stroh und 35 mit Spänen, heute Schindeln genannt, bedeckt gewesen sind.
Von 20 Scheunen, Brau- und Backhäusern hatten nach dem gleichen Bericht 17 ein Strohdach, eins ein Dach mit Spänen und zwei ein solches mit Ziegeln.
Wenn die beiden Kirchen, die Mühle und das Akzisehaus trotz der Feuersbrände, die rings um sie herum und in ihrer unmittelbaren Nähe wüteten, nicht mit in
Flammen aufgegangen sind, so hat sie wohl nicht zuletzt der Umstand davor bewahrt, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach - von den Kirchen können wir es mit Sicherheit annehmen - nicht mehr mit Stroh oder Schindeln, die an sich noch feuergefährlicher als dieses waren, gedeckt gewesen sind.
Es kam hinzu, daß zu jener Zeit auch noch der Fachwerkbau vorherrschte. Vollständig aus Stein gebaute Häuser gab es damals in Hagen sicherlich nur
ganz wenige.
Außer den Kirchen werden es das Hauptgebäude von Haus Hagen und vielleicht die königliche Mühle gewesen sein.
Sonst aber wird es kaum ein so festes Haus in dem Flecken Hagen gegeben haben.
Die Cleve-Märkische Regierung und die Berliner Behörden forderten natürlich sofort Berichte über den Brand an.
Johann Michel Maser, ein Architekt aus Unna, wurde beauftragt, die eingetretenen Schäden festzustellen und Vorschläge zu machen, wie der Ort wieder aufgebaut werden sollte.
Diesem Auftrag verdanken wir den ältesten uns überlieferten Lageplan von Hagen. Er ist von Maser im Oktober 1724 angefertigt und im "Westfalenland", Jahrgang 1928, Seite 2, zum ersten Mal veröffentlicht worden.
Aus ihm ersehen wir genau, wo die einzelnen Häuser gelegen haben, die damals niedergebrannt bzw. stehen, geblieben sind.
Wir können sogar an Hand eines Einwohnerverzeichnisses, das sich in den gleichen alten Akten befindet und ebenfalls im "Westfalenland" abgedruckt worden ist, weitgehend für die einzelnen Häuser die Namen ihrer Bewohner festlegen.
So wissen wir heute aus diesen Unterlagen, daß das Haus des Waldförsters Dähnert, wo jener unheilvolle Brand - 1724 ausbrach, an der Marktstraße gelegen
hat, wir kennen seine Nachbarn und können darüber hinaus sagen, wer sonst noch in dieser, Straße gewohnt hat.
Mosers Vorschläge gingen dahin, künftig vor allem darauf zu sehen, daß gerade Straßenfronten geschaffen und Straßenverengungen möglichst vermieden wurden. Ebenso wird es auf Masers Anregung zurückzuführen sein, daß im Januar 1725 von den Berliner Behörden eine besondere "Bau-Ordnung bei Wieder-Aufbauung der abgebrannten Hausstätten in dem Flecken Hagen" erlassen wurde.
Sie war die erste Hagener Bauordnung, die wir kennen.
Sie sollte sicherstellen, daß bei dem Wiederaufbau in Hagen nach einheitlichen Richtlinien verfahren wurde und von vorneherein ähnliche Katastrophen wie die vergangene für die Zukunft nach Möglichkeit vermieden wurden.
Aus diesem Grunde gab die Bauordnung eingehende Vorschriften darüber, wie die neuen Häuser zu bauen waren, welche Bedingungen bei der Anlegung von Feuerstätten erfüllt werden mußten und daß künftig bestimmte Straßenfluchtlinien eingehalten werden sollten.
Man ging dabei sehr ins Einzelne; die Bauordnung umfaßte insgesamt 24, teilweise sehr ausführliche Paragraphen.
Immer wieder traten in ihr die feuerpolizeilichen Gesichtspunkte hervor, mochten nun der Ziegelbau vorgeschrieben, die Verwendung von Stroh, Rohr oder Schindeln als Dachbedeckung verboten oder eine Straßenbreite von mindestens 16 Fuß angeordnet werden.
Über die Bauordnung von 1725 soll hier nur soviel gesagt sein, daß sie sicherlich nicht in allen Punkten befolgt wurde.
Weitgehend hat man sie wohl schon deshalb nicht strikte einhalten können, weil es an den erforderlichen Baumaterialien gefehlt haben wird, die die neue Ordnung vorschrieb.
Vor allem war die Beschaffung der notwendigen Ziegel nicht ganz leicht, wenn auch der Architekt Moser tagelang in der Umgebung Hagens nach guter Ziegelerde gesucht und solche schließlich in der Boeler Mark gefunden hatte.
Hinzu kam, daß Ziegelsteine und Dachpfannen in jener Zeit noch etwas Neues waren und trotzdem die neue Bauordnung hat sicherlich ihr Gutes gehabt. Jedenfalls haben ähnliche Feuersbrünste, wie die des Jahres 1724 Hagen nicht
wieder heimgesucht; abgesehen natürlich von den Brandnächten des letzten Krieges, aber mit Fliegerbomben und Phosphorkanistern konnte man 1724 noch nicht rechnen.